Gerade dieses Jahr hat uns gezeigt, wie schnell ein scheinbar >normales< Leben auf den Kopf gestellt werden kann. Eine Tatsache, die unsere Familien im Haus auch ohne Corona immer wieder erleben. Familie Walz erzählt uns, wie die Krankheit ihres mittlerweile fünfjährigen Sohnes Alexej ihr gesamtes Leben von heute auf morgen verändert hat:
Alexej war immer ein sehr aufgewecktes und redefreudiges Kind. Er spielte gerne draußen und liebte es, mit Papa Angeln zu gehen. Bis auf hier und da mal einen Schnupfen oder Husten war er selten krank. Doch kurz nach Alexejs viertem Geburtstag Ende Juli 2019 ging es ihm gesundheitlich nicht gut. Er wurde schlapp, war ständig müde und musste sich auch immer wieder Übergeben. Wir gingen zum Kinderarzt und dachten erst einmal an nichts Schlimmeres. Auch der Arzt ging von einem Infekt aus. Einige Tage vergingen und plötzlich bekam Alexej Wassereinlagerungen im Gesicht und am Bauch. Sofort fuhren wir nach Bayreuth in die Kinderklinik. Die Ärzte vermuteten ein Nierenproblem, doch die entsprechenden Tests brachten keine Klarheit. Erst bei einem durchgeführten Herzultraschall wurden Auffälligkeiten festgestellt. Wir mussten in die Kinderkardiologie der Universitätskinderklinik Erlangen.
Niederschmetternde Diagnose
Dort angekommen erfuhren wir, dass unser Alexej todkrank sei - sein Herz war zu schwach und es war zu diesem Zeitpunkt fraglich, ob er die Nacht überleben würde. Das war ein riesiger Schock für uns. Alexej bekam Medikamente zur Unterstützung seines Herzens und Gott sei Dank schlug die Behandlung sofort gut an. Zu dem Zeitpunkt hatten wir immer noch die Hoffnung, alle gemeinsam in unseren Familienurlaub fahren zu können, in den wir in wenigen Wochen starten wollten. Doch ein Herzkatheder brachte uns schnell auf den Boden der Tatsachen zurück, denn die Untersuchung brachte eine niederschmetternde Diagnose: dilatative Kardiomyopathie. Dies bedeutet, dass der Herzmuskel durch eine krankhafte Erweiterung seine Pumpleistung nicht mehr erzielen kann. Die Folge ist langsam fortschreitendes Herzversagen. Alexej brauchte ein neues Herz! Sofort kam er auf die Transplantationsliste, doch wir wussten schon, dass das Warten endlos sein kann und Alexej lief die Zeit davon. Die Ärzte versuchten, ihn mit Medikamenten zu stabilisieren, doch er wurde zusehends schwächer und konnte auch nicht mehr aus dem Bett aufstehen.
Unser neuer Alltag im Krankenhaus
Nun standen wir neben der Sorge um Alexej auch noch vor dem Problem, unseren Alltag einigermaßen zu organisieren. Zuhause war ja auch noch Alexejs zweijähriger Bruder und so versuchten wir uns wochenweise abzuwechseln. Es war für uns alle eine sehr schwere Zeit: zuhause wurden wir von einem gesundes Kind erwartet und im Krankenhaus von einem todkranken. So ging es jede Woche hin und her und mittlerweile waren auch schon drei Monate vergangen, in denen Alexej leider immer schwächer wurde. Wir Eltern fanden ein vorübergehendes Zuhause im Ronald McDonald Haus und waren so nur einen Katzensprung von der Klinik entfern. Das Team vom Ronald McDonald Haus unterstützte uns Eltern wirklich sehr. Ob es das Frühstück am Dienstag sei, das gemeinsame Abendessen am Donnerstag oder auch nur ein kurzer Plausch an der Kaffeemaschine. Wir fühlten uns in diesem Haus sehr wohl und aufgehoben. Auch in der Klinik haben wir in dieser schweren Zeit ganz viel Hilfe erfahren.
Superheld Alexej
Alexej war wirklich ein kleiner Superheld, der trotz seiner Situation jeden Tag fröhlich war und immer im Hier und Jetzt lebte. Im Handumdrehen wickelte er die Krankenschwestern um den Finger und es kümmerten sich alle wirklich rührend um ihn. Er schloss sogar eine innige Freundschaft mit Lukas, einem sieben Monate alten Baby. Lukas wartet genau wie Alexej auf ein neues Herz. Alexej passte auf Lukas gut auf.
Dramatische Verschlechterung
Am 29.11.2019, einem Freitag, ging plötzlich alles ganz schnell. Alexej ging es sehr schlecht und er musste an ein Herzunterstützungssystem – ein Kunstherz – angeschlossen werden. Die OP dauerte über neun Stunden, in denen wir zwischen Bangen und Hoffen fast verzweifelten. Doch Gott sei Dank verlief alles sehr gut und Alexej ging es zusehends besser. Er durfte endlich wieder aus dem Bett. Die Kardiotechniker verlangten schon sehr viel von ihm: Er musste sich jeden Tag mehrmals hinsetzen und aufstehen. Doch Alexej war super tapfer und machte bei allem sehr gut mit. Seine neue Bewegungsfreiheit durch das Kunstherz ermöglichte ihm sogar, Lukas mit dem Kinderwagen auf Station spazieren zu fahren.
Unser etwas anderes Weihnachten
Weihnachten feierten wir dann alle zusammen im Krankenhaus und im Ronald McDonald Haus. Die Krankenschwestern und das Team vom Ronald McDonald Haus haben Alexej dieses Weihnachten unvergesslich gemacht und wir fühlten uns seit langem erstmals wieder wie eine Familie. Wir konnten alle zusammen sein und auch Silvester gemeinsam verbringen. Ein größeres Geschenk hätte man uns nicht machen können.
Endlich: ein neues Herz!
Am 18. Februar um 22:20 Uhr kam dann der Anruf: es gab ein Spenderherz für Alexej! Wir hatten nicht viel Zeit zum Nachdenken, er wurde sofort vorbereitet und uns stand eine lange Nacht des Wartens bevor. Um 09:00Uhr war die OP vorbei und wir bekamen die gute Nachricht, dass alles perfekt verlaufen sei. Dieser Tag - der 19. Februar - ist sein 2. Geburtstag. Wir waren überglücklich. Kurz nach der OP dann aber wieder die nächste Katastrophe: Alexejs Körper stößt das neue Herz ab. Alles Mögliche wurde unternommen, um die Abstoßung abzuwenden und nach mehreren Wochen stabilisierte sich sein Zustand wieder.
Wir dürfen nach Hause!
Ende März durften wir dann nach sieben langen Monaten endlich nach Hause! Wir wissen, dass Alexej niemals ein völlig normales Leben führen kann. Wir werden sein Leben aber so normal gestalten wie es nur geht. Wir danken allen, die uns in dieser Zeit unterstützt haben und uns auch weiterhin unterstützen. Während unserer Zeit im Krankenhaus und im Ronald McDonald Haus haben wir viele Familien mit dem gleichen Schicksal kennen gelernt. Auch wenn Corona in diesem Jahr in aller Munde ist, muss man auch an all die anderen Krankheiten denken und wir können nur appellieren, dass Organspenden Leben retten kann – wie das von Alexej.
15.09.2020