>>Ich bin hier zur Häkeltante geworden<<, erzählt Iwona, die Mama von Dalia, die fünf Wochen nicht wach war, weil sie intubiert werden musste, damit sie genug Sauerstoff bekam. Jeden Tag saß Iwona an ihrem Bett. Die zwei sind ein eingespieltes Team. Dalia ist mit dem Down-Syndrom zur Welt gekommen und vom ersten Tag an kümmerte sich Iwona mit ihrem ganzen Herzen um ihre Tochter. Da Dalia lungenkrank ist, nur wenige Worte spricht und nicht frei laufen kann, ist Mama Iwona Herausforderungen im Alltag gewohnt. Aber der Schock war groß, als Dalia eines Morgens nicht wach wurde, blau angelaufen war und kaum Luft bekam. Der RS-Virus hatte die Kleine erwischt, die mit ihren sieben Jahren zurzeit noch in einen integrativen Kindergarten gehen darf.

Kurz vor Weihnachten fuhren Mama und Tochter in die Kinderklinik nach Sankt Augustin. Dass ihre Tochter immer mal wieder auch medizinische Unterstützung braucht ist einfach so. Eine Tatsache, die die 39-Jährige Iwona bewundernswert angenommen zu haben scheint. Sie strahlt mit jeder Zelle Gelassenheit und Zuversicht aus. Und sie hat hier gute Erfahrungen gesammelt: Vor sieben Jahren wurde Dalia genau hier in der Kinderklinik in Sankt Augustin an ihrem wenige Monate alten Herzen operiert.

Und dennoch ist der Aufenthalt in Sankt Augustin dieses Mal eine Art Premiere für ihre Mama Iwona. Denn sie lebt das erste Mal mit den anderen Eltern im Ronald McDonald Haus auf dem Kinderklinikgelände. >>Das ist wirklich sehr angenehm, dass das ständige Hin- und Herfahren entfällt. Dass ich hier so nah bei Dalia und jederzeit bei ihr sein kann. Das ist toll! Alle, die hier arbeiten, sind total offen und quatschen auch mal gerne. Das ist schön<<, schwärmt Iwona, die alleinerziehend ist. Mit ihrer positiven Ausstrahlung hat sie mit Leichtigkeit mit anderen Eltern im Haus neue Freundschaften geschlossen. >>Wir quatschen hier den ganzen Tag. Und wenn wir auf dem Zimmer sind, schicken wir uns Nachrichten<<, berichtet sie und schaut zu der anderen Mama am Tisch, deren Kind ebenfalls zurzeit in der Kinderklinik behandelt werden muss. Das gemeinsame Schicksal verbindet die Frauen, die sich ansonsten womöglich nie begegnet wären.

Den siebten Geburtstag erlebte ihre Tochter Dalia auf der Intensivstation: beatmet, verkabelt und doch gefeiert – mit Luftballons und Girlanden war das Zimmer geschmückt! Vielleicht hat Dalia es aber gespürt, dass es ein besonderer Tag, ihr Ehrentag, ist. Auch wenn sie den ganzen Tag geschlafen hat, vielleicht war es wie ein schöner Traum für sie. Mama Iwona hat ihrer kleinen Dalia die erste Schildkröte geschenkt, die sie gehäkelt hat. Lotti, die Schildkröte liegt immer in ihrem Bettchen.

Da Dalias Mama so viele Stunden an ihrer Seite saß, hat sie Gefallen daran gefunden, kleine süße Häkeltierchen zu machen. Dazu sucht sich die gelernte Floristin nur ein Foto aus dem Internet und entwickelt dann ein eigenes Bild im Kopf, wie das neue Lebewesen aussehen soll. Und dann häkelt sie los, ohne jede Anleitung. Stattdessen ist sie mit Leib und Seele dabei, um aus den vielen Wollknäueln, die sie geschenkt bekommen hat, Tiere zum Leben zu erwecken – und zu verschenken. An das Team im Ronald McDonald Haus, an die Schwestern, Pfleger und an die Ärztinnen und Ärzte. Ein kleiner Baby-Yoda ist auch dabei, denn ein bisschen magische Kraft kann ja nicht schaden.

Das hat offensichtlich gewirkt, denn inzwischen ist Dalia wieder wach und sie lernt wieder selbständig zu atmen. Schritt für Schritt, vielmehr Atemzug um Atemzug, wird die Leistung der Beatmungsmaschine behutsam reduziert. Sie ist auf einem guten Weg, so dass bereits ein 24-Stunden-Pflegedienst gesucht wird, damit Dalia bald mit ihrer Mama und ein paar neuen Mitbewohnern, von der flauschigen Meeresschildkröte über den schaukelnden Frosch bis hin zum kugelrunden Pinguin, nach Hause kann. Aber zum Sommerfest, so ist der Plan, kommen sie gerne zurück ins Haus. Und dann feiert Dalia wieder – dann aber wach und fröhlich, hoffentlich so, wie auf dem Video, das Iwona uns beim Interview von ihrer Tochter zeigt. Da sitzt Dalia auf der Schaukel und gluckst und freut sich des Lebens.

21.03.24