Alles war gut. Alles schien gut zu sein. Aber eine Sache war komisch.
Nach ihrer Geburt im März 2024 nahm die kleine Sophie Ester einfach nicht an Gewicht zu. Mit 2.420 Gramm war sie „ganz normal“ in der 39. Schwangerschaftswoche auf die Welt gekommen. Nach drei Monaten waren die Sorgen von Mama Rosalia so groß, dass sie auf ihre Intuition hörte und den Kinderarzt bat, sie in ein Krankenhaus zu überweisen, um herauszufinden, was los ist mit der Kleinen. Dass Sophie das nächste halbe Jahr ein Leben in Krankenhäusern verbringen würde, ahnte damals niemand. Die kleine Sophie konnte offensichtlich keine Nahrung vertragen. Selbst als sie eine Magensonde bekam, spuckte sie die Nahrung wieder heraus. Lebenswichtige Nährstoffe behielt die kleine Sophie erst bei sich, nachdem sie eine D-Sonde, die die Nahrung von der Nase bis in den Darm führt, gelegt bekam. Nun sollte weiter beobachtet werden, wie sich ihr Gewicht mit der Nahrungsaufnahme über die Sonde verändern würde. Ihre Mama Rosalia war optimistisch. Doch dann kam alles anders.
Ein schwerer Infekt, vermutlich eine Sommergrippe, verwandelte das kleine Lebewesen in einen >Notfall<. Sie kam auf die Intensivstation und musste beatmet werden. Noch mehr Schläuche, noch mehr Maschinen, die das Überleben der Kleinen sichern sollten. Danach war es Sophie nicht mehr möglich, ohne Beatmungsgerät ausreichend Luft zu bekommen. In dieser Zeit, als Sophie Woche um Woche im Krankenhaus behandelt werden musste, war ihre Mama immer in ihrer Nähe. Sie schlief im Kölner Ronald McDonald Haus für Eltern schwerkranker Kinder. >Das sieht aus wie eine Burg, richtig toll< erinnert sich Rosalia. >Oben im fünften Stock ist die Oase und es gibt einen direkten Verbindungsgang zur Kinderklinik, so dass Mütter nachts gar nicht das Haus verlassen müssen, wenn sie zu ihrem Kind gehen. Das ist besonders für stillende Mütter so toll!< schwärmt sie. Auch wenn sie selbst nicht stillen konnte, spürt man noch immer ihre Freude darüber, dass es so den anderen Müttern leichter fiel, nachts zu ihrem Kind zu gelangen.
Die Familie hoffte damals, dass sich Sophie Ester langsam erholen würde, doch stattdessen folgte eine niederschmetternde Diagnose: Die Ärzte stellten eine Blutvergiftung fest. Das war ein richtiger Schock und Sophies Eltern bangten um ihr Überleben. Zum Glück hatte sich das kleine >Würmchen< längst in eine Lebenskünstlerin verwandelt. Sophie kämpfte sich zurück ins Leben. Um sicherzugehen, dass sie genug Luft bekam, entschieden sich die Ärzte vorsichtshalber für einen Luftröhrenschnitt. Gesagt, getan. Doch dann die nächste Hiobsbotschaft: Das Ärzteteam stellte eine Luftröhrenanomalie fest. Deshalb wurde Sophie in die Sankt Augustiner Kinderklinik zu den Beatmungsspezialisten verlegt.
Die Behandlung erforderte es, dass Sophie fünf Monate ihres Lebens im Wachkoma in ihrem Krankenhausbettchen verbringen musste. Die Ärzte schlichen die Betäubungsmittel dann langsam aus, um es ihr so erträglich wie nur möglich zu machen. Doch es war nicht zu übersehen, dass dies ein schwerer Weg war für das zarte Lebewesen. Umso glücklicher war ihre Mama als Sophie dann zum ersten Mal richtig lachte. Das war nach sieben Monaten, als man ihr die Sonde aus der Nase entfernt hatte. >Endlich war die Nase frei, da hat sie sich natürlich so doll gefreut< erzählt ihre Mama und strahlt währenddessen selbst von einem Ohr zum anderen. Man sieht ihr an: Das war ein kostbarer Moment, von dem Rosalia vermutlich in allen schweren Stunden zehren konnte. Und schwere Stunden gab es viele.
Es gab auch schöne Momente auf einer Station in der Kinderklinik. Kleine Momente, aber auch große Überraschungen. Zum Beispiel zur Weihnachtszeit, als Sophies Patentante der kleinen tapferen Maus ein Fotoshooting schenkte, damit Sophie später auch schöne Erinnerungsbilder an ihr erstes Weihnachten haben würde – so wie andere Kinder auch! Weihnachten nicht zuhause sein zu können bei der Familie, das ist nicht leicht.
Rosalia macht sich dabei nicht nur Sorgen um Ester und versucht für sie so stark wie nur möglich zu sein, sondern sie vermisst auch ihre anderen beiden Kinder. Es ist ihr anzusehen, wie tief dieser Schmerz sitzt. Aber nun gibt es große Hoffnung: Vorige Woche wurde Sophie noch einmal operiert. Wenn sie nun die Nahrung gut verträgt, darf sie bald nach Hause. Inzwischen hat sich die kleine Maus verdreifacht, was ihr Gewicht angeht: Stolze 7.500 Gramm bringt sie inzwischen auf die Waage. Und sie fängt auch an, sich zu drehen und zu bewegen. >Das macht sie richtig toll, sagen auch die Schwestern und Ärzte<, berichtet Rosalia. Es scheint, als hätte Sophie jetzt genug von ihrem Bettchen und möchte endlich die Welt erkunden – und bei ihrer Familie sein!
Nur ist die Welt nicht ganz so einfach, wie es in ihren ersten drei Lebensmonaten schien. Denn Sophie wird nicht ohne Beatmungsmaschine das Krankenhaus verlassen können. Aber auch dafür gibt es Lösungen. Alles ist schon vorbereitet: Ein Pflegebett, alle notwendigen Geräte und ein 24-Stunden-Pflegedienst, der Tag und Nacht darüber wacht, ob alles in Ordnung ist mit der Kleinen und der helfen könnte, wenn es nötig ist. Ihre Mama ist dankbar, dass sie diese Unterstützung zuhause haben wird. Das beruhigt sie.
Bisher konnte sie im Ronald McDonald Haus in Sankt Augustin, direkt um die Ecke von Sophie wohnen. >Ohne das Haus, hätte ich all das nicht geschafft<, sagt die 38-Jährige. Wenn es Ester gut geht, geht es mir auch gut, aber wenn es ihr nicht gut ging, dann war das sehr schwer<, berichtet sie. Man merkt ihr an: Am liebsten möchte sie, dass es allen Menschen gut geht. Denn während unseres Interviews grüßt sie die anderen Mitbewohnerinnen und fragt nach ihren Kindern und was es bei den anderen an Neuigkeiten gibt auf der Station. Sie ermuntert sie zu essen, zu schlafen – sie kümmert sich liebevoll. Mit ihrer herzlichen Offenheit und Freundschaft hat sie auch begonnen, abends für andere Eltern (inzwischen reihum) mitzukochen, gemeinsam zu essen, zusammen zu sein und die Zeit gemeinsam zu überstehen. Abwechselnd unterstützen sie sich inzwischen gegenseitig. Genau dafür bietet das Apartmenthaus die besten Möglichkeiten. An der langen Tafel reden, essen und trinken die Eltern manchmal bis spät in die Nacht. Das Ronald McDonald Haus ist auch ein Ort der besonderen Freundschaften. Eine andere Mama wurde zu einer engen Freundin von Rosalia. Ihre Kinder waren Zimmernachbarn. Und natürlich viel mehr. Sie waren eine Gemeinschaft und sind sich gegenseitig ans Herz gewachsen.
Mama Rosalia strahlt eine bewundernswerte Stärke und Lebensfreude aus, mit der sie nicht nur den anderen Eltern Mut macht. Sicher hat sie auch ihre kleine Tochter längst damit angesteckt. Und doch möchte sie nichts schönreden und erzählt, dass es ihr als Mama von drei Kindern auch schon richtig schlecht ging in der Zeit. Besonders an einem Tag. >Aber dann sind die liebevollen und verständnisvollen Mitarbeiterinnen vom Haus für einen da! Das tut richtig gut! Das ist sowieso so toll hier im Haus. Auch die vielen kleinen aufbauenden Aufmerksamkeiten, die mir immer wieder Kraft und Freude geben, haben mir so geholfen, diese Zeit durchzustehen.< Am Valentinstag gab es nicht nur wunderschöne Deko im Haus und Herzballons und Herzchenbrownies in der Küche, sondern auch zwei wunderschöne Rosen für jedes Apartment. >Sogar zwei< stellte Rosalia begeistert fest und nahm freudestrahlend eine mit für Sophie. Rosalia ist so dankbar dafür, denn sie weiß, wie es ist, wenn das fehlt. Vor 10 Jahren, als sie bereits mit ihrer ersten Tochter einen Klinikmarathon und viele Diagnosen, Befunde und Therapien bewältigen musste, da hatte sie niemanden, mit dem sie hätte reden können. Sie sei fast verrückt geworden vor Sorge, erinnert sie sich. Voller Sehnsucht und Herzenswärme zeigt Rosalia Fotos von dem großen Giovanni, der schon 18 Jahre alt ist, und von Maria Leandra mit ihren stolzen 10 Jahren. Man spürt: Das gibt der dreifachen Mama bestimmt Kraft und eine Extraportion Hoffnung, um auch die kleine Sophie optimistisch zu begleiten bei ihren nächsten Lebensschritten.
18.06.25