Selmas Geschichte – Ronald McDonald Haus Sankt Augustin
MDK mdk-logo

Selmas Geschichte – Wie ist es als Mama mit einem kranken und zwei gesunden Kindern im Ronald McDonald Haus?

Selmas Geschichte ist keine leichte Geschichte. Es fing schon in der 12. Schwangerschaftswoche an. Selma ging zur Feindiagnostik und wusste, dass sie Zwillinge erwartet. Aber, was sie dann bei der Ultraschall-Untersuchung erfuhr, riss ihr den Boden unter den Füßen weg.

Die Zwillinge Ayaz und Aras zusammen im Krankenhausbett.
Aras kam mit Trisomie 21, dem Down-Syndrom zur Welt.
Ayaz auf Mamas Arm.
Elizan bewundert unseren Weihnachtsbaum...
....und die tollen Kugeln.
Und hilft gerne beim schmücken.
Ayaz & Aras kuscheln so oft es geht.

Bei einem der Embryos sah die Nackenfalte auffällig aus. Mit hoher Wahrscheinlichkeit kommt dieses Kind mit einem sogenannten Down-Syndrom zur Welt, sagt die Ärztin. Trisomie 21. >Das war ein Riesenschock, da ist meine ganze Welt zusammengebrochen.<

Kurz nach dieser Mitteilung ruft ihr Mann auf ihrem Handy an und möchte wissen, ob alles gut ist? >Alles gut<, sagt Selma reflexartig und mit der Situation überfordert. Sie möchte es ihrem Mann zuhause in Ruhe sagen. Dann klingelt ihr Telefon wieder. Ihre Schwester ruft an und fragt, wie die Ultraschalluntersuchung war. Selma steht mitten auf der Straße und dann bricht es aus ihr heraus: >Mein Kind ist krank<, schluchzt sie am Telefon. Und sie sagt, dass sie sich erstmal sortieren muss und zu einer Freundin fährt. Die Schwester setzt sich sofort ins Auto. Nur 15 Minuten braucht sie für die Fahrt, die sonst 40 Minuten dauert. Es war klar, das ist ein Notfall und sie möchte bei ihrer Schwester sein. Gemeinsam fahren sie dann von der Freundin zu Selma nach Hause und sprechen mit ihrem Mann. Auch für ihn ist das keine leichte Nachricht. Aber sofort war beiden klar: Sie möchten dieses Kind bekommen. So wie es ist. Und doch ist direkt spürbar, dass sich mit der Diagnose ihr ganzes Leben verändert hat. >Das war alles sehr emotional. Ich habe mich auch gefragt: Schaffen wir das?<

Wie geht es jetzt weiter?

Auch die Schwangerschaft verlief nicht leicht. Selma hatte vermehrtes Fruchtwasser. Das klingt harmlos, war aber kaum aushaltbar. Der Druck auf ihren Körper, ihre Organe, auf die Lunge – alles war schwer. Irgendwann musste Selma mit Blaulicht ins Krankenhaus. Sie bekam Wehenhemmer. Denn es war klar, dass Selma so lange wie möglich durchhalten wollte und sollte, damit die Embryos möglichst viel Zeit haben. Damit sie bevor sie die Welt außerhalb von Selmas Bauch erblicken, die Lungenreifung erreicht haben und nicht beatmet werden müssen. In der 34. Schwangerschaftswoche ist die Fruchtwasserblase geplatzt und dann ging alles sehr schnell und hektisch. Selma hat sich selbst Mut zugeredet, sie wollte stark sein. Und sie war stark und ist es noch heute – jeden Tag. Für ihre Söhne und für ihre Tochter, für ihren Mann und für sich selbst.

Zwei kleine süße Söhne kamen als Zwillingspaar zur Welt: Ayaz und Aras. Selma konnte sie nicht sofort sehen. Als Frühchen kamen sie in ein Wärmebett und wurden verkabelt. Selma selbst hatte bei der Geburt viel Blut verloren und war geschwächt. Aber das hielt sie nicht davon ab, stark wie eine Löwenmama nach ihren Kindern zu fragen, zu suchen und alles in der Klinik zu regeln, was nötig war. Und das war viel. Denn die beiden lagen auf unterschiedlichen Stationen und sie brauchten ihre Mama. Und Selma brauchte auch ihre Familie, ihren Mann und ihre kleine süße Tochter Elizan. Vor gut einem Jahr war sie zur Welt gekommen und die Tage vergingen und dann war es schon ein Monat, in dem Selma ihre Elizan nicht gesehen hatte. So konnte das nicht weitergehen. Fest stand: Sie brauchten eine Unterkunft für ihre Familie bei der Klinik. Zunächst war Araz in der Bonner Uniklinik und seine Familie dann im dortigen Elternhaus untergebracht. Heute leben sie im Ronald McDonald Haus in Sankt Augustin und Aras ist in der Sankt Augustiner Kinderklinik untergebracht, bis er sich weit genug entwickelt hat für seine Herz-OP.

Ein Zuhause auf Zeit gefunden.

Als die Familie in Sankt Augustin ankam, haben sie sich gefragt: >Sind wir im Traum?< Denn das Haus war so wunderschön einladend und hell und die Räume so großzügig. >Auch Elizan kann sich hier austoben<, berichtet Selma und strahlt. Wobei sich in der Weihnachtszeit auch zeigt, dass die Weihnachtsdekoration sehr verlockend ist für Anderthalbjährige: Elizan ist fasziniert von den Kugeln am Baum. Jeden Tag flitzt sie unaufhaltsam zu dem prächtigen sechs Meter hohen Baum, dekoriert mit wunderschön glitzernden Kugeln, die das restliche Jahr über in zig Wäschekörben unbewundert im Lager ihr Dasein fristen. Vor lauter Bewunderung geht da auch schonmal die ein oder andere Glaskugel zu Bruch. Logo! Elizan möchte ihre neue Welt entdecken, und natürlich hinterlässt Elizan dabei die Spieleecke nicht aufgeräumt. So sind Papa und Mama auch im Ronald McDonald Haus sehr gefordert und kommen kaum zur Ruhe.

Entspannter sind Momente wie das Verwöhnabendessen am Donnerstagabend oder das Verwöhnfrühstück am Dienstagmorgen, bei denen sich die Eltern um nichts kümmern müssen und die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen alles vor- und nachbereiten. Für die restliche Zeit gilt: Selma hat so viele Bälle gleichzeitig zu jonglieren im Alltag zwischen Klinik und Haus, dass sie dabei sich selbst oft vergisst: Manchmal stellt sie fest, dass sie noch gar nicht getrunken hat! Selma kocht und kauft ein, sie möchte für Elizan da sein und sich um Ayaz und Aras kümmern und auch Zeit mit ihrem Mann verbringen und ihn entlasten. Denn auch für ihren Mann ist die Situation sehr herausfordernd. Tagsüber verbringt er viel Zeit mit Elizan im Haus.

Die Nächte der Familie im Apartment sind kurz und die Sorgen zahlreich. Da liegen Selmas Nerven zwischendurch verständlicherweise etwas blank, wenn die >vermeintlich kleinen Dinge im Leben< manchmal nicht reibungslos funktionieren: Da ist mal eine Waschmaschine besetzt, ein Gerät defekt, Freunde machen gutgemeinte aber wenig feinfühlige Bemerkungen am Telefon und vor lauter Stress und Hin und Her kann auch mal das Essen anbrennen, wie an diesem Abend. Und dann kommen auch noch diese großen, fast übermächtigen Fragen auf, wie: >Wird mein Kind überleben?< Es ist wirklich nicht leicht. Daher freut sich die Familie über das einfühlsame und liebevolle hauptamtliche Team. >Frau Dawabi ist wirklich ein Herzensmensch, und ihre Mitarbeiter auch!<, berichtet Selma begeistert.

Und dann berichtet Selma von einem richtigen >Aha-Moment<, den sie im Haus erlebt hat. >Für uns Muslime ist Spenden eine Selbstverständlichkeit. Es hat mich richtig gerührt, zu sehen, dass in Deutschland so viele Menschen so großzügig spenden, dass so eine tolle Einrichtung wie das Ronald McDonald Haus hier allein durch Spenden möglich ist. Als ich dieses Haus das erste Mal gesehen habe, war ich ganz erstaunt: Ich wusste gar nicht, dass es sowas gibt!<

Zurzeit leuchten Sterne in Zweigen mit weißen Hoffnungskarten und guten Wünschen von Spenderinnen und Spendern – die Weihnachtsaktion 2023. Während die Familien kochen, können sie schauen, welche lieben Gedanken für die Familien mit kranken Kindern die Spenderinnen und Spender mit ihrer Spende verknüpft haben. Eine schöne Geste der Verbundenheit zwischen fremden Menschen zur Weihnachtszeit. Doch was Selma vermutlich der größte Trost in dieser schweren Lebensphase ist, ist vermutlich diese Tatsache: >Aras ist so beliebt bei den Ärzten und Krankenschwestern und Pflegern!<, berichtet Selma begeistert und zurecht nennt Selma ihren kleinen Sohn, der nun schon drei Monate lang auf der Welt und immer im Krankenhaus ist, voller Stolz >mein kleiner starker Kämpfer<. Und das wundert uns nicht, dass Aras so viel Kraft hat bei dieser Löwenmama, die sich trotz allem ihre Fröhlichkeit bewahrt hat und diese positive Energie verströmt, wenn sie im Haus mit ihrer und den anderen betroffenen Familien zusammen ist.

19.12.23