Das erste Lebensjahr im Krankenhaus – Julian ist endlich zuhause! – Ronald McDonald Haus Sankt Augustin
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Das erste Lebensjahr im Krankenhaus – Julian ist endlich zuhause!

Stefanie ist 37 Jahre alt und bestens informiert, als sie 2021 schwanger wird. Alle möglichen Schwangerschaftsratgeber hat sie sich ausführlich angeschaut und kennt aus der Theorie auch mögliche Komplikationen. Aber ihr geht es zum Glück im Großen und Ganzen gut – so fühlte es sich zumindest an. Dann kommt alles anders. Julian muss viel früher als gedacht auf die Welt geholt werden und es folgt fast ein Jahr mit Höhen und Tiefen, bevor er im Oktober 2022 nach Hause darf. Seine Familie bleibt in der Nähe - im Ronald McDonald Haus Sankt Augustin. 

Julian hat keinen leichten Start ins Leben - doch seine Eltern sind an seiner Seite

>Angefangen hat es im September 2021<, berichtet die Mutter. >Es war eher ein Zufallsbefund. Ich hatte einen ganz normalen Termin bei meiner Hebamme und keine großen Beschwerden. Okay, manchmal hat es hier ein bisschen gezogen und ich spürte so etwas wie Magenschmerzen. Das habe ich dann auch beiläufig erwähnt. Diesen Hinweis nahm meine Hebamme zum Anlass vorsichtshalber Blut abnehmen zu lassen, um die Leberwerte zu kontrollieren. Ich war aber ganz entspannt, dass alles gut ist. Mir ging es ja prima!<

Wie das Ganze dann weiterging, erzählt Papa Oliver. >Nachts haben wir eigentlich immer das Handy aus, und als wir es dann morgens anschalteten, waren da schon drei Anrufe in Abwesenheit von der Frauenarztpraxis. Da haben wir uns dann schon ein bisschen erschrocken. Das hatten wir so auch noch nie.< Sie erfuhren, dass Stefanie D. schlechte Leberwerte habe und sie solle sofort ins Krankenhaus fahren, denn sie habe ein beginnendes HELLP-Syndrom. >Darüber hatte ich auch schon gelesen<, erzählt die 37-Jährige. Im Krankenhaus angekommen hieß es: >Wir müssen Sie hierbehalten. Je nachdem, wie sich Ihre Leberwerte entwickeln, müssen wir vielleicht schon heute oder morgen einen Kaiserschnitt machen.< Denn beim HELLP-Syndrom gibt es keine Therapie – außer das Kind zu holen.

Das war ein Schock in der 24. Schwangerschaftswoche – eine Woche, in der man glaubt, gerade mal gut die Hälfte der Schwangerschaft durchlebt zu haben und noch so viel Zeit bis zur Geburt! Die Ärzte taten, was in diesen Fällen immer versucht wird: die Lungenreife des Embryos mithilfe einer Kortisonspritze zu erreichen – damit das kleine Lebewesen in diesem frühen Entwicklungsstadium bessere Chancen hat, mit der Atmung klarzukommen. Nach der Spritze haben sich sogar Stefanies Werte verbessert – das war eine gute Nachricht. Zu diesem Zeitpunkt fühlte sich die Schwangere immer noch gut. Es hieß: Jeden Tag, den man den Kaiserschnitt hinauszögern könne, sei ein gewonnener Tag. >Zwei Wochen haben wir dann noch rausgeholt!<, berichten die Eltern aus Koblenz. Aber dann war die Versorgung von ihrem kleinen Julian im Bauch seiner Mama so schlecht, dass das Ärzteteam ihn holen musste.

Julian D., das kleine Kerlchen kam extrem früh und extrem leicht zur Welt: In der 26. Woche wog er nur 470 Gramm, er war 26 Zentimeter >groß< und damit auch für das Alter ungewöhnlich klein. >Andere Babys wiegen zu diesem Zeitpunkt oft schon bis zu einem Kilogramm<, berichtet sein Vater. Aber trotz dieses Schocks, sorgte das zarte Lebewesen für eine große Erleichterung: Julian hat sofort nach seiner Geburt geschrien. Dann hat das Ärzteteam der frisch operierten Mama den winzigen Julian kurz zeigen können, musste ihn aber natürlich schnell versorgen und er musste in einen Inkubator. Immerhin: Sein Papa war an seiner Seite!

Zur Zeit des Interviews ist Julian in der Kinderklinik in Sankt Augustin, 10 Monate alt und bringt 5,2 Kilogramm auf die Waage. >Er hat sich mehr als verzehnfacht!< strahlt Stefanie D.. Aber sie teilt auch ihre Sorgen mit und berichtet, dass Julian gerade auf der Intensivstation in Sankt Augustin mit diversen Sonden und Sauerstoff versorgt und mit Elektroden bestückt ist, die unter anderem seine Herzfrequenz überwachen. Julians Eltern hoffen, dass bald alles so gut verlaufen sein würde, dass er sich von der letzten OP erholt, seine Darmtätigkeit problemlos funktioniert und sie ihn wieder mit nach Hause nehmen können. Denn Zuhause, da waren sie schon gewesen und da wollten sie wieder hin – zusammen!

Jedoch kamen in Julians Leben auf medizinische Erfolgsmeldungen und positive Entwicklungsschritte leider auch immer wieder harte Ernüchterungen, unerwartete Komplikationen oder neue Sorgen. Die Eltern blieben stets voller Hoffnung. Zugleich machen sie deutlich: Gesundwerden und Gesundsein ist alles andere als selbstverständlich. Das, was sie als Eltern und junge Familie in den vergangenen Lebensmonaten erlebt hatten, war ein einziges Auf und Ab. Was war passiert?

Die ersten vier Wochen nach Julians Geburt im Kemperhof in Koblenz verliefen gut. >Die Ärzte hatten uns ja vorher auf alle Eventualitäten vorbereitet<, erinnern sich die Eltern. Sie waren so erleichtert, als ein Arzt sogar zu dem Schluss kamen: >Julian, das ist zur Zeit unser Vorzeigepatient<.

Familie D. nahm auch an einer Studie teil, die eine Art Känguru-Effekt untersucht: Ein Gerät, das man für Laien vielleicht als >Gummischildkröte mit künstlicher Intelligenz< bezeichnen könnte, legte man der jungen Mutter auf ihren Brustkorb. >Das Gerät zeichnete dann meinen Herzschlag und die Atemfrequenz auf< führte Stefanie D. aus. Immer, wenn sie als Mama im Krankenhaus nicht mit ihrem Baby kuscheln konnte oder durfte, wurde der kleine Julian auf eine warme Gelmatratze gelegt, die genau die zuvor mit der Schildkröte aufgezeichneten Vitalparameter wiedergab. >Die Matratze bewegte sich dann im Rhythmus der Herz- und Atemfrequenz auf und ab<, erklärt Stefanie D., und so konnte Julian den Herzschlag seiner Mama wahrnehmen. Es besteht die Annahme, dass sich die Babys auf diese Weise geborgen fühlen und es ihrer Entwicklung guttut, ein bisschen wie ein Kängurubaby im Beutel seiner Mama. Wirklich toll, was in der Medizin alles möglich ist, inzwischen. Aber auch ein wenig erschreckend, was alles nötig ist, wenn die kleinen Frühgeborenen Probleme bekommen. Und das war bei Julian der Fall, als sich sein Darm nach etwa vier Wochen entzündete und sein Bauch größer und größer wurde.

>Sollten die Antibiotika nicht den gewünschten Effekt bringen, muss er operiert werden<, sagten die Ärzte. Zu diesem Zeitpunkt wog der kleine Julian D. erst 700 Gramm. >Das konnten wir uns gar nicht vorstellen, so ein winziges Wesen und dann eine OP? Unvorstellbar war das für uns damals<, erinnert sich seine Mama. Da Julian zu dem Zeitpunkt noch >stabil< war, entschied man sich für eine sofortige Krankenwagenfahrt von Koblenz nach Sankt Augustin, wo Möglichkeiten zu einer solchen Operation bestehen – vorsichtshalber, damit er vor Ort ist. Am nächsten Tag wurde Julian operiert und Stefanie D. fand ihr vorübergehendes Zuhause im Ronald McDonald Haus.

Zunächst verlief alles gut. Die Ärzte wollten, dass Julian vor seiner nächsten OP erst einmal möglichst viel wächst, so dass die frischgebackene Familie D. erst wieder zurück nach Koblenz und später sogar einen Monat, im März 2022, mit Julian und einem Pflegedienst nach Hause durfte. Aber nicht so, wie andere Eltern, mit Maxicosi und voller Vorfreude auf das neue Leben zu dritt zuhause. Nein, Stefanie und Oliver D. hatten natürlich mit ihrem Lebenswunder Julian auch einige Sorgen und jede Menge technischer Versorgungsapparate für den Kleinen im Gepäck: Sauerstoffbrille, Monitor, Darmbeutel, Magensonde und, und, und. Die ganze Ausrüstung musste auch immer mit, wenn sie mit Julian zu Arztbesuchen mussten. >Und trotzdem war es schön<, berichten seine Eltern.

Stefanie D. war zuvor eine Woche lang auf diese neue Freiheit vorbereitet worden. Im Kemperhof Koblenz musste sie lernen, ihrem kleinen Sohn selbst eine Magensonde zu legen. Eltern gesunder Kinder haben vielleicht Probleme mit dem Stillen oder besuchen Pekip- oder Babymassagekurse. Familie D. hingegen hatte einen Reanimationskurs machen müssen, bevor sie nach Hause durften. Das ist schon eine ganz andere Welt, wenn das eigene Kind nicht gesund zur Welt kommt.

Für Ende März 2022 war die Rückverlegung des künstlichen Darmausgangs in Sankt Augustin geplant. Die Eltern freuten sich, dass Julian bald den Beutel los sei und es diesmal nur ein kurzer Aufenthalt im Ronald McDonald Haus werden würde. >Bis bald<, sagten sie zu ihrem Pflegedienst, doch dann gab es nach einer Genesungsphase plötzlich Schwierigkeiten bei Julian. Der Bauch wurde wieder dick und er bekam schlecht Luft. Seine Lungen waren sowieso schon immer eine weitere Schwachstelle seit seiner Geburt. Der Bauch musste daraufhin abermals operiert werden, was zu einem erneuten künstlichen Darmausgang führte.

Während dieser Zeit erlitt er verschiedene Entzündungen bis hin zu einer Sepsis, was sich stark auf seine Lungen auswirkte. Dann hatte Julian im August erneut eine Rückverlegungs-Operation gemeistert. Aus einem eigentlich kurzen Krankenhausaufenthalt ist ein weiteres halbes Jahr Krankenhaus geworden. Die Eltern konnten es kaum erwarten, endlich mit ihm nach Hause zu dürfen. Als Julian fast ein Jahr alt war, hatte er bis auf die kurze Phase zuhause im März, seine Eltern und alle anderen Menschen bisher nur mit Maske gesehen. Auch die Großeltern konnten ihn nur durchs Fenster begrüßen, bestaunen, ihm aus der Distanz begegnen.

Das Ronald McDonald Haus war für Familie D. ein Segen. >Es ist super, dass es das gibt. Es war wirklich klasse, dass wir in fünf Minuten in seinem Zimmer und bei ihm sein konnten.< Seit Juni 2022 hatte Oliver D. Elternzeit und wohnte mit im Apartment. Der viele Besuch von Mama und Papa, das tat Julian richtig gut, berichtete das Pflegepersonal. >Sie vermuten, dass Julian so aktiv ist und sich toll entwickelt, weil wir einfach viel da sind!< Etwas traurig stimmte die Eltern manchmal, dass sie das Gefühl hatten: >Andere Eltern kommen und gehen – wir bleiben.< Aber was auch bleibt, sind die Begegnungen mit den anderen Eltern, die sie kennengelernt haben, wie zum Beispiel die Bekanntschaft mit Frau Ghigliotti, die auch aus Koblenz kam, und ähnliche Erlebnisse mit ihrem Sohn Leonardo und einem sehr langen Aufenthalt im Ronald McDonald Haus in Sankt Augustin erfahren hatte. >Das ist unheimlich wertvoll, sich mit den anderen austauschen zu können, die einfach wissen, was man durchmacht, die sich nach Julian oder auch nach uns erkundigen, wenn wir nach einem Kliniktag ins Haus zurückkommen.< Dies empfanden Julians Eltern als besonders wohltuend im Haus. Auch möchten die Eltern sich auf diesem Wege nochmal bei den Mitarbeitern und vielen Ehrenamtlichen des Ronald McDonald Haus in Sankt Augustin bedanken. Ihre verschiedenen Aktionen, wie z.B. die Verwöhnabendessen, die Dekoration passend zur jeweiligen Jahreszeit, haben durch so manche schwere Stunde geholfen.

Stefanie und Oliver D. erzählten mit leuchtenden Augen, wie Julian auch zur Zeit des Klinikaufenthalts die Welt entdecken wollte. Er reagierte auf die raschelnden Blätter der Bäume bei den wenigen Ausflügen, die er rund um die Klinik in einem Kinderwagen mit seinen Eltern unternehmen durfte. >Es ist so schön zu sehen, dass ihn das freut, etwas Neues zu sehen<, schwärmt sein Papa. Und offensichtlich ist Julian auch ein großer Erzähler – >er unterhält den ganzen Flur!< Wie jedes Kind spielt er gerne und liebt sein Mobilé mit den liebevoll gefilzten Bauernhoftieren.

Julian hat auch einen regen Bewegungsdrang und er weiß, wen er mag und wen nicht: Fest steht: Seine Schläuche mochte er nicht! >Zwischendurch hat er sich alles rausgerissen<, berichten die Eltern. Aber Julian hatte auch einen >besten Freund< in der Klinik, in seinem Bettchen, einen, der ihn vor diesen Eingriffen schützt: die Krake. >Die findet er ganz toll!<, strahlt Stefanie D.. Julians >Best Buddy< begleitete ihn bereits seit seinen ersten Tagen, die er nicht mehr im Bauch seiner Mama verbringen durfte. Die Tentakel der Krake sind einer Nabelschnur nachempfunden. Julian liebte es, sie zu greifen. Daher lag sein Lieblingstier möglichst immer so, dass er seinen besten Kumpel und nicht die Schläuche erwischte.

Trotz der vielen Strapazen – Julian lacht! >Obwohl alle, die um ihn herum sind, immer Maske trugen, und er sich das ja gar nicht abgucken konnte<, wunderten sich seine Eltern. Und wir wissen: Lachen ist die beste Medizin und so kam es, dass Julian kurz nach seinem ersten Geburtstag im Oktober 2022 die Kinderklinik in Sankt Augustin mit seinen glücklichen Eltern verlassen konnte– endlich zuhause!

15.12.22